Evangelium zum Sonntag des Guten Hirten nach Johannes im 10.Kapitel (11-16.27-30): Jesus sagt: »Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt ist bereit, für seine Schafe zu sterben. Einer, dem die Schafe nicht selbst gehören, ist kein richtiger Hirt. Darum läßt er sie im Stich, wenn er den Wolf kommen sieht, und läuft davon. Dann stürzt sich der Wolf auf die Schafe und jagt die Herde auseinander. Wer die Schafe nur gegen Lohn hütet, läuft davon; denn die Schafe sind ihm gleichgültig. Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe, und sie kennen mich, so wie der Vater mich kennt und ich ihn kenne. Ich bin bereit, für sie zu sterben. Ich habe noch andere Schafe, die nicht zu diesem Schafstall gehören; auch die muß ich herbeibringen. Sie werden auf meine Stimme hören, und alle werden in einer Herde unter einem Hirten vereint sein. Meine Schafe hören auf mich. Ich kenne sie, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden niemals umkommen. Niemand kann sie mir aus den Händen reißen, weil niemand sie aus den Händen meines Vaters reißen kann. Er schützt die, die er mir gegeben hat; denn er ist mächtiger als alle. Der Vater und ich sind untrennbar eins.«
Liebe Guntersblumer am zweiten Sonntag nach Ostern,
heute geht es um Jesus und um Schafe. Der Predigttext dazu steht im ersten Petrusbrief, einem Schreiben, das an die christlichen Gemeinde gerichtet war, die sehr unter der Verfolgung durch den römischen Staat gelitten haben. Im zweiten Kapitel des Briefes lesen wir in der Übersetzung der Guten Nachricht:
Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Ihr wisst: »Er hat kein Unrecht getan; nie ist ein unwahres Wort aus seinem Mund gekommen.« Wenn er beleidigt wurde, gab er es nicht zurück. Wenn er leiden musste, drohte er nicht mit Vergeltung, sondern überließ es Gott, ihm zum Recht zu verhelfen. Unsere Sünden hat er ans Kreuz hinaufgetragen, mit seinem eigenen Leib. Damit sind wir für die Sünden tot und können nun für das Gute leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt worden! Ihr wart wie Schafe, die sich verlaufen haben; jetzt aber seid ihr auf den rechten Weg zurückgekehrt und folgt dem Hirten, der euch leitet und schützt.
Es ist nicht überall einfach, eine Christin, ein Christ zu sein. Wir haben uns daran gewöhnt, dass das Christentum zu unserem Kulturkreis gehört. Die Mehrheit in Deutschland – zumindest in dem westlichen Teil der Bundesrepublik – gehört der Kirche oder einer christlichen Gemeinschaft an. Trotz Kirchenaustritten wird es noch als recht selbstverständlich angesehen, Glied einer Kirche zu sein.
Es genügt mir allerdings nicht, nur auf dem Taufschein eine Christin oder ein Christ zu sein. Christlicher Glaube erschöpft sich nicht in Formalitäten. Christlicher Glaube will gelebt werden. Christlicher Glaube fußt auf Jesus, der uns Vorbild ist. Wir leben in seiner Nachfolge. Wenn Jesus durch ein Dorf oder durch eine Stadt kam, so scharten sich die Menschen um ihn. Es sprach sich schnell herum, wenn er in der Gegend war. Die Menschen wollten ihn hören, sie fühlten sich wohl in seiner Nähe; er nahm sie so an, wie sie waren. Er nahm sie ernst und hatte ein Ohr für sie. Sie spürten, dass er sich für sie interessierte. Sie waren ihm nicht gleichgültig. Es tat einfach gut, ihm nur zuzuhören. Seine Worte berührten und führten schon jetzt ein wenig in den Himmel.
Nach solchen guten Worten sehnen wir uns. Es gibt mehr unversöhnliche, zerstörende Worte als Worte, die Frieden stiften und gut tun. Wenn wir Jesus als Richtschnur im Auge behalten, sind wir auf der sicheren Seite. Wir sind dazu berufen, in Jesu Fußstapfen zu treten, ihn als Vorbild zu nehmen und ihm nachzueifern. Wir dürfen Menschen annehmen, wie Jesus es tat. Wir brauchen uns nicht über andere zu erheben und niemanden zu verurteilen, weil er anders lebt als wir, sich anders kleidet als wir; anders liebt als wir.
Im erfahrenen Leid können Menschen Jesus nahekommen und sich mit ihm verbunden fühlen. Auch Jesus erlitt – so wie sie – Schmähungen, Schmerzen und Unrecht. Jesus ist selbst – so wie sie – ausgegrenzt worden. Dennoch ließ er sich davon nicht bestimmen. Er schmähte nicht, als er geschmäht wurde; drohte nicht, als er litt, überließ sich ganz Gott. Es ist schwer auszuhalten, wenn man handlungsunfähig geworden ist, aus eigener Macht nichts tun kann und keinen Weg sieht. Menschen, die fliehen müssen, sind in einer solchen Lage. Sie sind auf die Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit Fremder angewiesen. Wie irrende Schafe laufen sie umher, auf der Suche nach Menschen, die sich ihrer erbarmen, sie annehmen und sich um sie kümmern. Verlorene Menschen brauchen Menschen, die ihnen Wärme, Trost und Hoffnung geben. Verlorene brauchen eine Zuflucht, einen Ort, an dem sie sicher sind und in Frieden leben können.
Jesus ist der gute Hirte, der sich um die Seinen kümmert. Er lässt niemanden im Stich. Er passt auf die Herde auf, damit niemand verloren geht. Wenn doch eins verloren gegangen ist, so sucht er nach ihm und ruht nicht eher, als bis er es gefunden hat. Das Bild des guten Hirten, der Jesus für uns ist, ist tröstlich und hoffnungsvoll. Wir vergewissern uns, dass wir nicht allein sind. Es ist gut, wenn jemand auf uns aufpasst, wie eine Mutter auf ihr Kind. Wir fühlen uns sicher, wohl und geborgen. Bilder wie diese dürfen wir uns vor Augen führen, wenn die Wogen des Lebens über uns zusammenbrechen wollen, wenn wir in Situationen geraten, die wir nicht handhaben können. Bilder wie diese geben uns Kraft und Trost, ermutigen uns, nicht nachzulassen, für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten und jenen Menschen zur Seite zu stehen, die uns brauchen. In Jesu Fußstapfen zu treten, ihm zu folgen, ist Aufgabe und Herausforderung, aber auch Sicherheit und Vergewisserung. Wir laufen nicht orientierungslos irgendwie irgendwohin; wir wissen, in welche Fußstapfen wir treten. Niemand von uns geht den Weg als Erste/r, wir folgen einer Spur. Wir brauchen den Weg nicht zu suchen, er ist uns vorgegeben. Wir gehen den Weg der Gerechtigkeit und folgen den Spuren des Friedensbringers. Wir folgen demjenigen, auf dem kein Unrecht und keine Sünde lag. Durch ihn sind wir bestimmt, der Gerechtigkeit zu leben. Der gute Hirte leitet uns und führt uns auf einem guten Weg. Es braucht Mut und Entschlossenheit, einen langen Atem und Durchhaltevermögen, nicht zu verzweifeln an dem Unrecht, das tagtäglich geschieht. Es ist ein Verbrechen, Menschen am Leben zu hindern, sie in die Flucht zu treiben, sie nicht aufzunehmen. Jesus hat die Verhältnisse dieser Welt in Frage gestellt, seine Maßstäbe sind andere. Er hat das Leben gewollt und gegeben.
Wer in seine Fußstapfen tritt, geht den Weg der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit. Seine Welt ist ein Abbild der himmlischen Welt, ein Ort des Friedens und der Freude, der Gemeinschaft und des Lichts. Wo Jesus ist und Menschen in seinem Geiste leben, da geht die Sonne auf. Wo Jesus ist und Menschen Gutes tun, kommt Hoffnung auf. Wo Jesus ist und Menschen helfen, bleibt niemand in der Dunkelheit.
Ein Glück, dass wir ein Vorbild haben, ein Glück, dass wir nicht orientierungslos umherirren, ein Glück, dass wir einen guten Hirten haben. Wir sind und bleiben unterwegs, noch nicht am Ziel, aber mit dem Blick auf den auferstandenen Herrn Jesus Christus, der uns vorangeht auf dem Weg durch das Leben. Er ist und bleibt der gute Hirte, der sich um seine Herde kümmert und sie leitet in alle Ewigkeit. Und Gottes Friede, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Hirten und Bruder. Amen.
Fürbitten:
Wir bitten am heutigen Gedenktag für die Opfer der Corona-Pandemie für alle, die unter der Krankheit zu leiden haben:
Für die Hunderttausenden in Deutschland und Millionen weltweit, die einen liebe Angehörigen verloren haben und ihn oft nicht einmal beim Sterben begleiten konnten.
Für die Schwestern und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, die seit 13 Monaten Tag und Nacht um das Leben der Erkrankten kämpfen.
Für die Berufstätigen in Kultur, Gastronomie und Tourismus, denen die Arbeit unmöglich geworden ist.
Für die Politikerinnen und Politiker, dass sie angesichts der vielen Herausforderungen weise Entscheidungen treffen.
Für die Leitungsgremien in unseren Kirchen, dass sie Wege finden, die Botschaft von der verbindenden Liebe unseres guten Hirten Jesus nahe zu den Menschen zu bringen.
Für die Schülerinnen und Schüler, dass sie trotz Distanzunterricht und Vereinsamung nicht verzweifeln.
Und schließlich für uns selbst, dass wir auch nach 13 Monaten die Hoffnung auf ein Leben ohne die Pandemie nicht aufgeben.
Bleiben Sie behütet, Ihr
Johannes Hoffmann