Predigt zum Sonntag, 24.1.2021 über Johannes 2, 1-11: Die Hochzeit in Kana

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Ein Schreckensruf geht durch die Festversammlung: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Es ein Fest, auf das viele lange gewartet haben. Das Brautpaar hatte sich jahrelang gefreut auf diese Tage, der erste Höhepunkt ihres gemeinsamen Lebens. Und nun das. Eine höchst peinliche Situation für den Gastgeber. Wie ein Lauffeuer verbreitet es sich unter den Gästen: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Was nun? Was tun, um das Fest zu retten? Es gab keine Tankstelle oder einen REWE mit Spätverkauf. Und selbst wenn es wie hier bei uns in Guntersblum an vielen Ecken im Dorf einen Winzer gibt, der notfalls auch abends um zehn das Flaschenlager öffnet, bleibt die Frage: Wer soll das bezahlen? Galiläa war eine arme Gegend, die Menschen lebten mühsam von steinigen Feldern und wenig Handwerk. „Sie haben keinen Wein mehr“, das heißt doch: Dieser funkelnde Rebensaft, der die Versammlung erst zum Fest machte, das kostbare Getränk, das beflügelt, ist ganz aus. Der rote Faden der Festivität ist verloren gegangen. Die Stimmung kippt. Der Wein ist das Symbol für die Fähigkeit einer Gemeinschaft, miteinander fröhlich zu sein. „Sie haben keinen Wein mehr“, heißt dann übersetzt: Wir können nicht mehr richtig feiern.

Das erleben wir seit inzwischen 10 Monaten selbst: Keine Hoffeste der Winzer, keine große Runde zu Geburtstagen. Wein haben wir genug, aber Gemeinschaft fehlt. „Sie haben keinen Wein mehr.“ Das mag auch ein Seufzer sein im Alltag einer Ehe. Was waren die Eheleute einmal begeistert voneinander! Jeder Tag und jede Nacht, die sie zusammen hatten, war wie ein kleines Fest! Und jetzt haben sie sich aneinander gewöhnt. Und manchmal fragen sie sich, ob sie nur noch aus Gewohnheit zusammen sind. „Sie haben keinen Wein mehr.“ Jesus spürt die Erwartung der Mutter und ist genervt „Nun tu doch etwas, mein Sohn! Nun zeig, wer du bist und was du kannst. In deiner Gegenwart leuchtet die Kraft und die Herrlichkeit Gottes, da wird es doch eine Kleinigkeit für dich sein, dieses Hochzeitsfest zu retten.“ Jesus blafft zur Antwort seine Mutter mit einem Satz an, der an Beleidigung grenzt: „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?“

Ausgerechnet Jesus spricht so, und ausgerechnet Maria, seiner Mutter gegenüber. Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Jesus will mit der Erwartung, die seine Mutter Maria äußert, nichts zu tun haben. Jesus ist kein neuer Bacchus und kein Partyzauberer, kein live act für die Show. In Jesu Gegenwart ist Größeres zu sehen und zu feiern als im Rausch einer Orgie. Und darum vermeidet Jesus den Effekt, dass er dasteht wie ein großer Zauberer. Das wirkliche Wunder geschieht anders, es kommt auf leisen Sohlen daher. Maria lenkt schnell ein. Sie spricht zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut.“ Nun wendet sich der Blick von Jesus ab und streift über den Festplatz, vermerkt Sitten seiner Zeit. Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte. Das sind nun wirklich beeindruckende Gefäße, groß wie Regentonnen. Mindestens 100 Liter, und das Ganze dann noch mal sechs. Die Diener werden eine Weile gebraucht haben, bis sie die sechs riesigen Amphoren voll Wasser gefüllt hatten. Und nun kommt es darauf an, dass wir uns nicht doch wieder auf die falsche Fährte locken lassen. Es geht bei einer solchen Geschichte nicht darum, das Spektakuläre und Wundersame herauszustellen. Am Schluss heißt es nämlich bedeutungsvoll: Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat.

Diese Geschichte setzt ein Zeichen. Und nun geht es also nicht darum, sich darüber zu streiten, ob so etwas möglich gewesen ist oder nicht. Sondern es geht darum, das Zeichen zu verstehen, den Hinweis, der in dieser Geschichte verborgen ist. Das nämlich ist das Zeichen, das diese Geschichte gibt, ein Merkzeichen Jesu für unser Leben: Freunde, wartet nicht auf ein Wunder von oben. Aber werft auch nicht die frustriert die Flinte ins Korn. Sondern schaut euch genau um in eurem Alltag. Hier stehen Gefäße herum, die darauf warten, mit Wasser gefüllt zu werden. Das ist’s, was ihr alle tun könnt, woran ihr euch alle beteiligen könnt. Jesus ist nicht der Zauberer, der euch mit seiner Rettung verblüfft und euch zu Zuschauern degradiert. Es ist genau anders: Jesus bezieht euch in seine Aktion mit ein. Er aktiviert eure begrenzten Kräfte und Fähigkeiten. Und ihr meint, ihr tut gar nichts Besonderes. Eben, so etwas, wie einen Eimer Wasser holen: das kann wirklich jeder. Aber mit diesem einfachen und alltäglichen Tun seid ihr unverhofft Mitarbeiter in einer Wundergeschichte. Damit wir einmal aus dem Vollen schöpfen können, braucht es viele kleine Schritte und viele kleine Mengen Wassers, um die Gefäße des Alltags zu füllen.

Damit unsere Dorfgemeinschaft lebt, braucht es viele kleine Begegnungen auf der Straße, immer auf Abstand und mit Maske, aber jetzt umso mehr. Liebe Guntersblumer, geht doch mal öfter hier in unserem Dorf oder auf den Wegen drumherum spazieren! Und wenn Ihr jemanden trefft, dann haltet auf Abstand an und erzählt ein bisschen. Auch so füllt Ihr Schlückchen für Schlückchen den Krug der Gemeinschaft im Dorf. So kann jede und jeder seinen Teil beitragen, jeder etwas hineingeben in das große Gefäß der Gemeinsamkeit. Kirche geschieht, wo einer an den anderen denkt, wenn er für ihn betet oder ihn anruft – am besten alles zusammen. Und so füllt ihr, Becher für Becher, den großen Krug, aus dem ihr auch einmal trinken könnt, wenn ihr durch ein dürres Tal wandert.

Ein Wunder des Alltags. Wasser wird zu einem Wein, der köstlicher schmeckt und funkelnder leuchtet, als jeder andere. Unvergleichlich gut. So kann es geschehen, dass dir dein Guntersblumer Nachbar ein Wort sagt, auf das Du lange gewartet hast. Wasser wird zum Wein. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und sein Friede, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn und Bruder.

Ihr Johannes Hoffmann, Pfarrer