PREDIGT ZUM 7.2.2021 SEPTUAGESIMAE – Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat – Markus 4, 26-29

Jesus sagte:
»Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern. Er streut die Körner auf das Land,
dann legt er sich schlafen und steht wieder auf –tagaus, tagein. Die Saat geht auf und
wächst –aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht. Ganz von selbst bringt die Erde
die Frucht hervor. Zuerst den Halm, dann die Ähre und zuletzt den reifen Weizen in
der Ähre. Wenn das Getreide reif ist, schickt er sofort die Erntearbeiter los, denn die
Erntezeit ist da.«

Aus der Basis-Bibel

Jesus lehrte in Gleichnissen, die Situationen aus dem Alltag aufgreifen. So öffnete Jesus den Menschen die Augen dafür, wie Gott unter uns wirkt. Der Sämann tut, was seine Aufgabe ist: er sät den Acker ein. Danach schläft er. Er setzt sich also nicht an den Ackerrand und schaut
ungeduldig alle zwei Minuten nach, ob der Samen schon aufgegangen ist, sondern er schläft. Der Sämann lebt und wirkt im Rhythmus von Nacht und Tag. Der Tag beginnt mit dem Abend und der Nacht. Dort, in der Ruhe und im Schlaf, werden die Voraussetzungen für fruchtbares Wirken am Tag geschaffen. So auch bei dem Sämann im Gleichnis. Er schläft und steht auf im Rhythmus von Nacht und Tag. Und siehe da, in diesem Rhythmus von Nacht und Tag, in diesem Rhythmus von Tun und Lassen stellt sich der Erfolg seines Handelns ein: Der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Er weiß nicht wie? Der Sämann weiß nicht, wie die Saat wächst? Gerade weil er ein guter Sämann ist, weiß er, dass Wachsen und Gedeihen nicht in seiner Hand liegen. Er muss säen und dann – und das ist nicht weniger wichtig – die Saat in Ruhe lassen. Auf dem Weg vom Samenkorn zur Frucht gibt es eine Fülle von Schritten. Da läuft ein Prozess ab, aus dem der Sämann sich heraushält, wo er die Finger rauslässt. Der Sämann weiß: Es gibt Dinge, die kann ich anstoßen, doch dann laufen sie ohne mein Zutun ab. Von selbst, automatisch, autonom entwickelt sich die Frucht. Der Sämann könnte ihre Entwicklung höchstens stören, wenn er zur falschen Zeit nachschaut. Dazu gehört auch: Der Wachstumsprozess läuft in bestimmten Schritten ab, die weder vertauscht noch verkürzt werden können. Halm – Ähre – Weizen. Es gehört zur Geduld des Sämanns, dass er weiß: Wenn ich heute den Samen in die Erde stecke, dann bekomme ich nicht morgen schon die volle Ähre. Wachstum braucht Zeit. Finger weg, heißt also das Erfolgsrezept des Sämanns und – genau hinschauen. Denn neben dem Wechsel von Tun und Lassen braucht es auch ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt. Es kommt der Moment, wenn die Frucht reif ist. Und dann gibt der Sämann den Startschuss für die Ernte. Zum richtigen Zeitpunkt verliert der Sämann keine Zeit, sondern handelt entschieden.

Der Mensch, vondem Jesus im Gleichnis erzählt, weiß also genau, was er tut. Geduld und Augenmaß, Erfahrung und Gelassenheit, Aufmerksamkeit und Entschiedenheit steuern ihn, sein Tun und Lassen, und vor allem die unerschütterliche Hoffnung: Die Saat geht auf. Sie geht auf jeden Fall auf! Jesus erzählte das Gleichnis vom Sämann für das Reich Gottes. Er öffnet uns die Augen dafür, wie Gott unter uns wirkt. Immer wieder ist dies geschehen, dass Menschen plötzlich eine Ahnung davon bekommen, wie Gottes Reich unter uns wächst. Zur rechten Zeit etwas
tun und lassen – das ist wie Einatmen und Ausatmen, im Rhythmus bleiben, den Dingen ihren Lauf lassen und dann doch auch den entscheidenden Impuls geben. Haben Sie beispielsweise schon einmal versucht, ein Kind großzuziehen? Dann werden Sie sicherlich festgestellt haben, dass das gar nicht geht. Sie können an den Armen und den Beinen ziehen, wie Sie wollen, das Kind wächst nicht schneller. Aber schneller wachsen tun sie dadurch nicht, großziehen lassen sie sich nämlich nicht. Und wenn Sie an sich selbst denken, dann fällt Ihnen vielleicht auch so einiges ein, was Sie ändern wollten. Die Zeit der guten Vorsätze ist Mitte Februar eigentlich schon vorbei, aber bestimmte Themen bleiben uns ja trotzdem über das Jahr treu: mehr Bewegung, gesündere Ernährung, mehr Anrufe bei lieben Menschen. Auch hier gilt: Nachhaltige Veränderung zum Guten geschieht nicht über Nacht.

Auch mit uns selbst brauchen wir vor allem immer wieder Geduld und Achtsamkeit, um dann doch zur rechten einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Liebe Gemeinde, was sagt es über uns als Gesellschaft, wenn Ungeduld eigentlich als Tugend gilt? Wir haben aus Nacht und Tag einen immerwährenden Tag gemacht, geben der Aktivität in jeglicher Form einen Vorzug vor Ruhe und Nachdenken. Damit haben wir manches erreicht und anderes verloren. Verloren haben viele Menschen heute die Fähigkeit, sich wirklich zu erholen. Wirklich einmal den Kopf freizubekommen für das, was im Leben wirklich zählt und was uns trägt, auch wenn wir einmal keine Spitzenleistung erbringen. Da kommt die Geschichte vom Menschen, der Samen auf das Land wirft, gerade recht. Von ihm können wir lernen, dass zum Leben beides gehört:
Arbeit und Ruhe, Geduld und gelassene Aufmerksamkeit für das, was geschieht.

Den Dingen ihren Lauf lassen, damit wir gelassen wirken können! Vor allem aber brauchen wir die Hoffnung, dass Entscheidendes immer wieder von Gott her geschieht, auch ohne unser Zutun. Dass wir leben dürfen in einer Welt und von einer Welt, die uns freundlich entgegenkommt.

Gott sei Dank!
Amen.

Zum Herunterladen: Predigt 07.02.2021